Klassifizierung von Schmerzen

 
 
 
 

Klassifizierung

 

Aufgrund der Heterogenität von Schmerz hinsichtlich seiner Dauer, anatomischen Lage, Ätiologie, Intensität und Pathophysiologie gibt es viele Möglichkeiten, ihn zu klassifizieren.1




 

Kombination von Klassifikationen

 

Da Schmerz komplex und facettenreich ist, ist es zur genauen Beurteilung der Schmerzen eines Patienten oft notwendig, verschiedene Klassifikationen zu kombinieren.1




 

Klassifikation der IASP

 

Die Organisation International Association for the Study of Pain (IASP) hat eine Klassifikation chronischer Schmerzen für die ICD-11 entwickelt, das sowohl in der Primärversorgung als auch von Spezialisten zur Schmerzbehandlung anwendbar ist.2


 

 
 



 
 

Schmerzklassifikationen sind nützliche Instrumente bei der Beurteilung und Diagnose von Patienten mit Schmerzen. Auf der Suche nach dem am besten geeigneten Behandlungsplan können diese zudem für Angehörige der Gesundheitsberufe eine Hilfestellung für die klinische Entscheidungsfindung sein.

Schmerz wird überwiegend nach der Dauer definiert (siehe Abschnitt «Einteilung nach Dauer»), kann jedoch darüber hinaus nach anatomischer Lage, Ätiologie, Intensität und Pathophysiologie klassifiziert werden. Um die Schmerzen eines Patienten zu bewerten, ist es oft nötig, mehrere Schmerzklassifikationen zu kombinieren.1

 
 
  • Akuter / chronischer Schmerz
    Akute Schmerzen stehen häufig im Zusammenhang mit akuten Verletzungen und Traumata und klingen innerhalb von drei bis sechs Monaten ab. Sie dienen als Warnsystem des Körpers. Im Vergleich dazu kann man Schmerzen, die diesen Zeitraum überschreiten, als chronisch ansehen. Sie können ohne erkennbaren Reiz ausgelöst werden oder sich entwickeln, wenn die mit einer Verletzung oder einem Trauma verbundenen Schmerzen nach der körperlichen Heilung bestehen bleiben.1 In diesen Fällen, in denen chronischer Schmerz eine Krankheit für sich darstellt, wird er als chronischer Primärschmerz klassifiziert. Es können auch chronische Sekundärschmerzen durch eine Grunderkrankung (z.B. Arthritis) bei Patienten auftreten.3,4 Im Gegensatz zu akuten Schmerzen erfüllen chronische Schmerzen normalerweise keinen adaptiven Zweck.4

  • Klassifikation nach Ätiologie
    Die ätiologische Schmerzklassifikation zielt darauf ab, die Ursache des Schmerzes zu bestimmen. Man kann sie grob in Tumor- und Nichttumorschmerz unterteilen.1 Traditionell hat man mit einer Krebserkrankung verbundene chronische Schmerzen aufgrund ihrer komplizierten Ätiologie und der häufig verwendeten aggressiveren Behandlungsansätze als eigenständige Einheit betrachtet. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass sich die neuronalen Mechanismen, die Tumorschmerzen zugrunde liegen, von anderen chronischen Schmerzzuständen unterscheiden.5 Weitere kausale Faktoren für Schmerzen sind akute Verletzungen, Grunderkrankungen oder -zustände sowie die mit diesen Verletzungen oder Zuständen verbundenen Behandlungen, zum Beispiel Operationen.1

  • Klassifikation nach Pathophysiologie
    Schmerzen können je nach Art der Verletzung/Schädigung und dem pathophysiologischen Weg, der zur Wahrnehmung von Schmerzen führt, als nozizeptiv, neuropathisch oder – dies nur bei chronischen Schmerzen – als zentrale Sensibilisierung eingestuft werden.1,4

  • Klassifikation nach Anatomie

    Mittels anatomischer Schmerzklassifikation bestimmt man, an welchen Körperteilen der Patient Schmerzen hat. Dies ist oft der erste Schritt bei der Schmerzbeurteilung.1

    Somatischer Schmerz ist spezifisch für den Ort der Verletzung und entsteht durch Schmerzrezeptoren, die in Knochen, Muskeln, Haut, Gelenken, Bändern, Sehnen und Bindegewebe aktiviert sind.6 Im Gegensatz dazu treten viszerale Schmerzen in inneren Organen auf. Die mit einer inneren Verletzung verbundenen Schmerzen sind allerdings aufgrund der geringen Nozizeptorendichte in den Eingeweiden und der Tatsache, dass afferente Fasern bei der kortikalen Kartierung weniger gut vertreten sind, schwer zu lokalisieren.7 Ohne Berücksichtigung akuter Schmerzzustände sind laut einer europäischen Umfrage die häufigsten Stellen chronischer Schmerzen der Rücken und die Gelenke, dicht gefolgt von Nacken und Kopf.8

  • Klassifikation nach Intensität

    Die Schmerzintensität ist definiert als das Ausmass des erlebten Schmerzes. Es gibt verschiedene Tools, mit denen sie gemessen werden kann: die visuelle Analogskala, die verbale Bewertungsskala, die numerische Bewertungsskala und die grafische Skala.1,9 Bei diesen Methoden misst der Patient die Stärke seines Schmerzes subjektiv anhand numerischer oder verbaler Deskriptoren.9 Es gibt auch Messverfahren wie die FLACC-Schmerzskala, mit der Schmerzen bei Patienten bewertet werden können, die diese selbst nicht kommunizieren können. Betrachtet werden hier die Kriterien Gesicht, Beine, Aktivität, Weinen, Tröstbarkeit (Face, Legs, Activity, Cry, Consolability).10

  • Klassifikation nach Dauer

    Schmerzen können als akut oder chronisch beschrieben werden, abhängig davon, wie lange sie bei einem Patienten anhalten.1

    Akute Schmerzen sind kurzfristig und klingen innerhalb von drei bis sechs Monaten ab. Sie sind eine Reaktion des Körpers auf eine spezifische Verletzung oder ein bestimmtes Trauma und dienen einem biologischen Zweck.1 Das wichtigste Merkmal akuter Schmerzen ist, dass sie selbstlimitierend sind;10 im Verlauf der Heilung oder Reparatur des Gewebes verschwinden sie.1

    In manchen Fällen können jedoch aus akuten chronische Schmerzen werden. Diese sind als Schmerzen definiert, die länger als drei Monate andauern. Eine Dauer jenseits der normalen Heilungszeit dient keinem biologischen Zweck.1

 
 
 
 
 
  • Quellen

    1. Orr PM, et al. The Role of Pain Classification Systems in Pain Management. Crit Care Nurs Clin N Am 2017;29:407–418.

    2. Treede RD, et al. A classification of chronic pain for ICD-11. Pain 2015;156(6):1003–1007.

    3. International Association for the Study of Pain (IASP). Chronic pain has arrived in the ICD-11. News bulletin. 2019. Available at: https://www.iasp-pain.org/PublicationsNews/NewsDetail.aspx?ItemNumber=8340&navItemNumber=643 Letzter Zugriff Juni 2022.

    4. Clauw DJ, et al. Reframing chronic pain as a disease, not a symptom: rationale and implications for pain management. Postgrad Med 2019;131(3):185–198.

    5. Stanos S, et al. Rethinking chronic pain in a primary care setting. Postgrad Med 2016;128(5):502–515.

    6. Murphy P. Somatic Pain. In: Schmidt R & Willis W (eds). Encyclopedia of Pain. Heidelberg, Germany: Springer 2007:2190–2191.

    7. Steeds CE. The anatomy and physiology of pain. Surgery 2016;34(2):55–59.

    8. Breivik H, et al. The individual and societal burden of chronic pain in Europe: the case for strategic prioritisation and action to improve knowledge and availability of appropriate care. BMC Public Health 2013;13:1229.

    9. Cook KF, et al. Pain assessment using the NIH Toolbox. Neurology 2013; 80(Suppl. 3):S49–53.

    10. Face, Legs, Activity, Cry, Consolability (FLACC) pain scale. Available at: https://en.wikipedia.org/wiki/FLACC_scale. Letzter Zugriff März 2024.

    11. Grichnik KP & Ferrante FM. The difference between acute and chronic pain. Mt Sinai J Med.1991;58(3):217–220.

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